In der Not lernt man, einander beizustehen
Was macht ein Bürgermeister am Laternenmast? In der kleinen Gemeinde Mayrhof im oberösterreichischen Innviertel ist das kein ungewöhnlicher Anblick. Wenn eine Birne kaputt geht und sonst niemand da ist, der sie austauschen könnte, nimmt sich Roman Grübler der Sache persönlich an. Sei ja keine große Hexerei, meint er. Ein bisschen Selbstverantwortung schadet nicht. So sieht das nicht nur der Bürgermeister der Kommune mit 329 Einwohnerinnen und Einwohnern. Hier packen alle mit an. Etwa am örtlichen Fußballplatz, der in der warmen Jahreszeit von den Anrainern gemäht wird. So etwas stärkt das Gemeinschaftsgefühl. Und es spart Kosten.
Das Geld war hier immer schon knapp
Mayrhof gehört zu den wenigen österreichischen Gemeinden, die trotz lausiger Wirtschaftslage und stagnierender Ertragsanteile bei gleichzeitig explodierenden Kosten schuldenfrei sind. Das hat damit zu tun, dass eine so kleine Kommune daran gewöhnt ist, mit wenig auszukommen. Dass hier immer schon vieles selbst gemacht wurde, weil das Geld fehlte, um teure Dienstleistungen zuzukaufen. Dass keine großen Investitionen anstanden: Schulgebäude, Kindergarten, Bauhof. So war es auch nie nötig, fremdes Kapital aufzunehmen. Man kam mit dem Vorhandenen über die Runden und gewöhnte sich an die Bescheidenheit. Das macht sich jetzt bezahlt. „Ich blicke zuversichtlich in die Zukunft“, sagt Bürgermeister Grübler.
Diese Zuversicht teilen nicht alle seine Amtskolleginnen und Amtskollegen. Die bald anstehenden Budgetverhandlungen machen fast allen gröbere Kopfzerbrechen. Besonders hart trifft es die Kärntner Gemeinden: Von 130 Kommunen werden dort heuer wohl 100 auf finanzielle Unterstützung des Landes angewiesen sein, um einen Haushalt zustandezubringen. Das Hauptproblem sind die explodierenden Ausgaben für Spitäler, Pflegeheime und Soziales, die in manchen Gemeinden mehr ausmachen als die Ertragsanteile. Man hantelt sich von Monat zu Monat, löst Rücklagen auf, überzieht den Kontokorrentrahmen bis zum Anschlag, setzt selbst bei kleinsten Beträgen den Rotstift an. Mitunter, so erzählen Bürgermeister unter der Hand, geht es dabei um Beträge von 25 Euro. Jeder noch so geringe Anschein von Verschwendung soll vermieden werden. Die Lage ist ernst.
Gemeinsamer Einsatz spart Kosten
Die schwierige Situation merkt man natürlich auch in Mayrhof. Auch dort sind die Kosten für Umlagen und Personal gestiegen, man muss Abstriche machen. „Aber wir sind eben seit jeher auf Sparsamkeit eingeschworen“, sagt Grübler. Nicht zuletzt deshalb, weil der kleine Ort schon seit langer Zeit um seine Identität fürchtet: Das Damoklesschwert einer von oben angeordneten Fusionierung schwebt seit Jahren über Mayrhof. Eine solche will Grübler um jeden Preis verhindern. Und da weiß er die Bevölkerung hinter sich. Auch deshalb hauen sich die Leute dort ins Zeug für ihre Gemeinde: Ohne die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer würde es Mayrhof als eigenständige Gebietskörperschaft wohl schon nicht mehr geben.

Zur Person
Bürgermeister Roman Grübler hatte in Mayrhof nie viel zu verteilen.
Aber auch anderswo wird gespart. Und wie so oft zeigen kleine Gemeinden, die traditionell mit dem Rücken gegen die Wand stehen, vor, wie man mit Kreativität und Fantasie viel Geld sparen kann. Denn Mayrhof hat – auch aus der Not heraus – früher als andere auf die Zusammenarbeit mit den größeren Nachbargemeinden gesetzt. Dort gibt es die Kindergärten und Volksschulen für den Nachwuchs, ebenso wie einen Bauhof, den die kleine Kommune mitnutzen kann. In der Region gibt es auch ein schönes Freibad und ein Fußballstadion. „Im Wesentlichen bleibt uns die Verwaltung“, sagt Grübler. Und auch hier ist er offen für neue Lösungen: etwa eine gemeinsame Buchhaltung mit anderen Kommunen. „Gut möglich, dass es das in Zukunft auch bei uns geben wird“, sagt er.
Kooperation macht sich bezahlt
Die beiden kleinen Vorarlberger Gemeinden Dünserberg und Düns haben damit jedenfalls schon gute Erfahrungen gemacht. „Wir prüfen dauernd, wie man noch besser kooperieren kann“, sagt der Dünserberger Bürgermeister Walter Rauch. Aus Prinzip, weil man in der kleinteiligen Region Walgau schon seit Menschengedenken aufeinander angewiesen ist. Aber durchaus auch mit einem finanziellen Hintergedanken: Denn das Land Vorarlberg fördert Gemeindekooperationen großzügig: Wenn sich mehrere Orte zusammentun, gibt es am Ende mehr Geld für alle. Schon seit einigen Jahren teilen sich Dünserberg und Düns die Buchhaltung. Das klappt problemlos. Viele Bedienstete arbeiten für beide Gemeinden, sie werden bei Bedarf einfach angefordert. Noch sind die beiden kleinen Kommunen hier auf Behelfskonstruktionen angewiesen, weil es steuerrechtliche Hürden gibt. Egal wie viel Fantasie man hat: Die Bürokratie setzt doch gewisse Grenzen.
Was hingegen reibungslos funktioniert, ist der gemeinsame Winterdienst: Die beiden Gemeinden haben zwar zusammen nur ein paar Hundert Einwohnerinnen und Einwohner. Trotzdem sind sie für Dutzende Kilometer Straßen und Wege zuständig. Man teilt sich das Gebiet, erstellt gemeinsame Einsatzpläne und mietet bei Bedarf zusätzliche Geräte an. Das geht, wenn ein Grundvertrauen vorhanden ist und ein Verständnis dafür, dass man gerade in schwierigen Situationen zusammenhalten muss.
Wir prüfen dauernd, wo man noch besser kooperieren kann.
Den Ausbau der interkommunalen Zusammenarbeit hält auch Johannes Pressl für eine wesentliche Maßnahme, wenn es darum geht, die Finanzlage der Gemeinden zu verbessern. Pressl ist Bürgermeister der niederösterreichischen Gemeinde Ardagger und Präsident des Österreichischen Gemeindebundes. „Bei den Gemeinden ändert sich viel“, sagt er. Gerade in Zeiten der Krise sei die Reformbereitschaft in den Kommunen besonders hoch: „Es gibt überall eine große Bereitschaft zum Sparen.“ Nicht zuletzt würden die Digitalisierung und der kluge Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) enorme Einsparungspotenziale aufzeigen.
Kluge Investitionen für die Zukunft
Auch Ardagger gehört zu jenen Gemeinden, die von der Krise nicht ganz so hart getroffen werden wie andere. „Es gab bei uns im Gemeinderat immer einen Konsens darüber, dass wir auf die Kosten schauen“, sagt Pressl. Investiert wurde trotzdem: in Photovoltaikanlagen, die jetzt günstigen Strom liefern. Oder in einen Reinigungsroboter für die Schule, der nachts 1.500 Quadratmeter schrubbt. Billig war die Anschaffung nicht, man musste 50.000 Euro dafür berappen. Aber das macht sich in Anbetracht der hohen Personalkosten rasch bezahlt.
Aber mit knapp 3.600 Einwohnerinnen und Einwohnern gehört auch Ardagger zu den kleineren Gemeinden. Große Betriebe gibt es nicht, daher spielt auch die Kommunalsteuer keine große Rolle. Soll heißen: Auch in Ardagger ist man es gewöhnt, mit dem Vorhandenen sparsam umgehen. Und daran, dass manches nur möglich ist, wenn sich die Bevölkerung daran beteiligt. So gibt es zwar ein Rufsystem, um älteren Menschen mit Taxis Mobilität zu gewährleisten. Möglich ist das aber nur, weil sich 30 Leute aus der Gemeinde freiwillig gemeldet haben, die Seniorinnen und Senioren zu fahren. „Ohne die Ehrenamtlichkeit wäre das nicht finanzierbar“, sagt Pressl. Diese sei ein Vorzug kleinerer Gemeinden, in denen man einander kennt.
Vielleicht, so der Gemeindebund-Präsident, hätten kleine Orte in der jetzigen Situation noch einen gewissen Vorteil: „In kleineren Einheiten kann die Not zusammenschweißen“, sagt er. Da sei es auch mitunter einfacher, der Bevölkerung den Ernst der Lage zu vermitteln. Und dass es eben nun einfach weniger Geld gibt. „Je größer die Einheit ist, desto schwieriger wird es“, sagt Pressl. „Da führen geringere Mittel eher zu einem Verteilungskampf.“
Wie kommuniziert man in der Krise?
Pressl sieht die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in dieser Situation auch kommunikativ besonders gefordert. Zum einen habe es sich die Bevölkerung verdient, dass man ihr reinen Wein einschenkt: „Man sollte den Menschen frühzeitig sagen, was Sache ist.“ Zugleich müsse man darauf achten, vorhandene Ängste nicht noch zu schüren. „Man darf die Leute nicht demotivieren“, sagt er. Gerade in Zeiten von Fake News und Desinformation gälte es, Optimismus zu verbreiten – auch im Interesse der regionalen Unternehmen, denn: „Die Wirtschaft ist ein zartes Pflänzchen.“ Auch hier sieht er übrigens kleinere Gemeinden im Vorteil: „Wo man einander kennt, ist es leichter, falsche Gerüchte zu zerstreuen“, meint der Gemeindebund-Präsident.
Freilich: Alleine werden die Gemeinden dieser misslichen Lage kaum Herr werden. Am Ende wird die Bundesregierung in Wien nicht um deutliche finanzielle Erleichterungen für die kleinsten, aber für viele wichtigsten politischen Einheiten herumkommen. Wenn Gemeinden reihenweise zahlungsunfähig werden, hätte das auch auf Bund und Länder verheerende Auswirkungen. Pressl hat seitens der Gemeinden vor einiger Zeit eine Reihe von Maßnahmen auf den Tisch gelegt, mit denen zumindest die gröbsten Probleme gelöst werden könnten: Die Kommunen sollten etwa an den Erlösen aus der CO₂-Steuer beteiligt werden, die seit Jahrzehnten nicht valorisierte Grundsteuer angepasst und die monatlichen Umlagen auf ein verträgliches Maß reduziert werden – etwa indem zur Finanzierung der Pflege auch das 13. und 14. Gehalt des Pensionsbezugs herangezogen wird. Populär wäre das nicht. Und klar ist auch: Die Bundesregierung kämpft selbst mit den Finanzen und hat nichts mehr zu verschenken. Aber am Ende gilt auf gesamtstaatlicher Ebene dasselbe wie in einer kleinen Gemeinde: Wenn die Zeiten härter werden, muss man mehr zusammenstehen.
Wo Kooperationen sinnvoll sind
- Bauhof. Gerade wenn es um die Anschaffung teurer Gerätschaften geht, lohnt sich der Zusammenschluss mit anderen – insbesondere bei Maschinen zur Schneeräumung.
- Buchhaltung. Immer beliebter werden Kooperation bei der Buchhaltung, gerade für kleine Gemeinden mit überschaubarem Verwaltungsaufwand.
- IT. Häufig teilen sich Nachbargemeinden auch EDV-Systeme und IT-Unterstützung. Mitunter gibt es auch gemeinsame -Gemeinde-Websites.
- Personal. Es spricht wenig dagegen, Arbeitskräfte zu teilen. Idealerweise ist das bereits über den Dienstvertrag geregelt.