Was tun im Ausnahmezustand? Diese Frage sollte man sich rechtzeitig stellen
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BLACKOUT & CO

Wie man für den Fall der Fälle gerüstet bleibt

Die Gefahr von Extremwetterereignissen oder großen Stromausfällen steigt. Umso wichtiger ist für Gemeinden eine gründliche Vorbereitung – ohne dabei Ängste in der Bevölkerung zu schüren. Zwei Bürgermeister mit Erfahrung erzählen, worauf es dabei ankommt.
von  Wolfgang Rössler , 14. September 2025

Wenn einmal – was hoffentlich nie der Fall sein wird – in ganz Viehdorf mit einem Schlag die Lichter ausgehen, dann gibt es zumindest einen ziemlich guten Plan. Umgehend würde dann der Krisenstab zusammentreten. Und zwar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vollständig. Schließlich sitzen dort lauter Leute, die im Ernstfall von anderen Verpflichtungen freigespielt sind. Zu den ersten Maßnahmen gehört es, die Volksschule zu einem sicheren Refugium für die Schwächeren der Gemeinde umzubauen. Das geht flott, weil die entsprechenden Vorrichtungen bereits vorhanden sind: Notstromaggregat, Küche, Lebensmittelreserven.

Aber auch, weil die Einsatzkräfte ziemlich genau wissen, was zu tun ist. Erst im Vorjahr haben sie ein solches Szenario wieder durchgespielt, zusammen mit dem niederösterreichischen Zivilschutzverband, der die Übung überwachte und danach bewertete. „Wir haben vier von fünf Sternen bekommen“, sagt Bürgermeister Markus Burgstaller. Das ist noch nicht ganz perfekt, aber schon verdammt gut. Die wenigsten Gemeinden sind so gut auf den Ernstfall vorbereitet.

Pensionierte Pflegekräfte stehen parat

Viehdorf im Mostviertel gehört mit nicht ganz 1.400 Einwohnerinnen und Einwohnern zu den kleineren Kommunen. Man kennt einander noch, die Leute von der Freiwilligen Feuerwehr wissen recht gut, wer im Falle einer Katastrophe am dringendsten Hilfe benötigt. Wer besondere Bedürfnisse hat. Eine wichtige Rolle spielen junge Seniorinnen und Senioren, die früher im Bereich von Medizin und Pflege gearbeitet haben. Im Fall der Fälle stehen viele von ihnen bereit, um zu helfen. Sie haben keine Verpflichtungen mehr in Spitälern oder Heimen. Aber sie wissen immer noch gut, was zu tun ist, wenn Leute während eines Blackout gesundheitlich zusammenbrechen. Bürgermeister Burgstaller hat vor einiger Zeit veranlasst, diese Leute ausfindig zu machen und anzuschreiben. Die meisten haben nicht lange gezögert und zugesagt, im Notfall anderen zu helfen.

Vorsorge ohne Alarmismus

Das mit dem Zivilschutz in Gemeinden ist so eine Sache. Einerseits sollte man für alle Eventualitäten gewappnet sein: ob -Blackout, Hochwasser oder Großbrand. Das geht nur mit regelmäßiger, ernsthafter Übung, bei der neben den Einsatzkräften auch die Bevölkerung eingebunden ist. Andererseits muss man als Bürgermeisterin oder Bürgermeister mit solchen Szenarien behutsam umgehen. „Es ist eine Gratwanderung“, sagt Burgstaller. Wenn zu viel von Katastrophen die Rede sei, führe das in der Bevölkerung nicht zu einem Gefühl von Sicherheit. Eher im Gegenteil: „Die Menschen fühlen sich in ständiger Alarmbereitschaft.“ Und das könne schließlich auch niemand wollen.

Wie also gegenüber der Bevölkerung umgehen mit einem Schreckensszenario, das man nicht ausschließen kann, das aber mit recht großer Wahrscheinlichkeit nicht eintreffen wird? Es ist nicht zuletzt eine psychologische Frage, die ein gewisses Fingerspitzengefühl erfordert. Burgstaller rät zu wohldosierter, unaufgeregter Information über die verschiedenen Kommunikationskanäle der Gemeinde. Darüber, dass es einfach sinnvoll ist, einen Vorrat an Lebensmitteln und  Trinkwasser anzulegen. Sich ein Radiogerät mit Batteriebetrieb anzuschaffen, genügend Taschenlampen, vielleicht einen Campingkocher. All das ist keine große Hexerei, erst recht nicht in einer Landgemeinde wie Viehdorf, wo fast alle Menschen in eigenen Häusern wohnen, mit genügend Stauraum.

 

Die Menschen sollen auch nicht ständig in Alarmbereitschaft sein.

Und völlig aus der Luft gegriffen sind die Warnungen vor einem Stromausfall ohnehin nicht. „Man verdrängt dieses Thema gern“, sagt Herbert Saurugg, einer der wichtigsten Blackout- und Krisenvorsorgeexperten des Landes. Er geht fast davon aus, dass es in den kommenden Jahren zu einem größeren Zusammenbruch der Netze kommen wird. Die Frage sei bloß, wo und in welchem Ausmaß.

Stromausfall ist ein reales Szenario

„Die Zahl der Eingriffe hat sich in den letzten Jahren vervielfacht“, sagt er. Eingriffe? Damit meint Saurugg Zwischenfälle in der Stromversorgung, die bisher meist diskret zu bewältigen waren – indem der Ausfall eines Kraftwerks durch andere aufgefangen wurde. Mal war es Überlastung, mal ein technischer Defekt, mal ein menschlicher Fehler und mal auch höhere Gewalt: weil es zu wenig Sonne gab für Photovoltaikanlagen oder zu wenig Wind für Windkraftwerke. Die erneuerbaren Energien bergen eine große Gefahr: Sie sind wetterabhängiger als Wasserkraft oder fossile Energiequellen. Und dann bleibt da immer noch die Gefahr eines Hackerangriffs. Und diese Gefahr, da sind sich die meisten Fachleute einig, steigt. Von den meisten dieser Eingriffe erfährt die Öffentlichkeit nichts. Sie werden fieberhaft im Hintergrund erledigt.

Was aber, wenn es nicht eine, sondern mehrere solcher Komplikationen gibt – die in Summe nicht mehr zu bewältigen sind? Das könnte eine fatale Kettenreaktion auslösen. Einen Vorgeschmack darauf gab es Ende April auf der iberischen Halbinsel. Weil die Spannung in den spanischen Netzen zu hoch war, gingen dort und in Teilen Portugals einen guten Tag lang die Lichter aus. Am Ende war es eine Verkettung unglücklicher Umstände, die zum Blackout führte, den die Behörden allerdings rasch in den Griff bekamen.

Man verdrängt das Thema Blackout gern.

Aber es muss gar kein flächendeckender Blackout aufgrund kollabierender Netze sein. Immer wieder kommt es aufgrund von extremen Naturereignissen zu Stromausfällen. So wie vor ein paar Jahren in der Oberkärntner Gemeinde Kötschach-Mauthen, wo Mitte Dezember ein heftiger Schneefall einsetzte, der mit Unterbrechungen bis Februar anhielt. Der tägliche Wetterbericht war nicht viel mehr als eine Orientierungshilfe, erzählt Bürgermeister Joseph Zoppoth: „Man konnte nicht vorhersagen, ob Schnee oder Regen kommt.“ Und bald bekamen es die Leute im Ort mit der Angst zu tun: Hausdächer drohten einzustürzen, Straßen wurden durch Lawinen unbefahrbar und Strommasten brachen unter der Schneelast zusammen. Immer wieder gab es in einigen Ortsteilen einfach keinen Strom.

Warnungen kaum ernst genommen

Das war ein Szenario, auf das die Bevölkerung vorbereitet war – grundsätzlich. Wie in den meisten Gemeinden wurden auch in Kötschach-Mauthen immer wieder Postwurfsendungen zum Thema Zivilschutz verschickt. Und wie überall in Österreich landeten diese allzu oft ungelesen im Altpapiercontainer. Wer will sich schon ernsthaft mit einem Thema wie Katastrophenschutz beschäftigen? So kam es, dass es in vielen Haushalten nicht einmal einen Gaskocher gab, um eine Suppe warm zu machen. Oft mangelte es sogar an Taschenlampen oder Kerzen.

Erst als schließlich auch in Kötschach-Mau­then der Frühling kam, konnte Bürgermeister Zoppoth aufatmen: Dank der Zusammenarbeit von Blaulichtorganisationen, Helferinnen und Helfern aus ganz Kärnten und vielen Ehrenamtlichen wurde das Schlimmste verhindert. „Zum Glück gab es keine Todesfälle und niemand kam ernsthaft zu Schaden“, sagt der Ortschef. Eine Katastrophe wurde abgewendet. Bloß: Selbstverständlich war das nicht. Da war auch Glück dabei. Und nicht wenige Leute in Kötschach-Mauthen nahmen den monatelangen Ausnahmefall zum Anlass, sich künftig ernsthafter mit dem Thema Prävention zu beschäftigen.

Wer ist wofür verantwortlich?

Was aber, wenn es nicht bei temporären Stromausfällen bleibt? Wenn es zum  Worst Case kommt und die Netze tagelang zusammenbrechen? Experte Saurugg geht davon aus, dass es nach einem eintägigen großflächigen Stromausfall Wochen, wenn nicht Monate dauern würde, bis sich die Lage wieder stabilisiert hat. Bis dahin gelte es, die grundlegendsten Bedürfnisse sicherzustellen: Wasser, Hygiene, Nahrung, medizinische Versorgung. „Es braucht in jeder Gemeinde eine Person, die sich mit dem Thema schon im Vorhinein beschäftigt“, sagt der Experte, „einen Kümmerer.“ Idealerweise ist das jemand von der Feuerwehr, ein Soldat oder eine Soldatin. Auf jeden Fall eine Person, die mit dem Thema Zivilschutz bereits vertraut ist.

Verschiedene Zivilschutzorganisationen haben sich damit beschäftigt, worauf es im Ernstfall ankommt. „Es gibt etwa 300 Kontrollfragen, die sich jede Gemeinde stellen sollte“, sagt Saurugg. Das betrifft die organisatorischen Abläufe: Wer ist in der Gemeinde im Krisenfall wofür zuständig? Wer koordiniert die Arbeit der verschiedenen Blaulichtorganisationen? Wer kommuniziert mit der Bevölkerung – und wie, wenn es kein Internet und keinen Handy-Empfang gibt? Können sich wirklich alle Fraktionen und Personen im Gemeinderat verbindlich darauf einigen, dass man im Ernstfall an einem Strang zieht? Das sollte im Vorfeld – bei allen anderen möglichen Konflikten – außer Streit gestellt werden.

In vielen Gemeinden ist der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin für den Zivilschutz zuständig. Empfehlenswert ist das nicht. Wer eine Gemeinde führt, hat in der  Regel nicht allzu viel Zeit, sich in das Thema wirklich einzuarbeiten und ständig auf dem Laufenden zu bleiben. Bürgermeister Burgstaller empfiehlt deshalb, diese Funktion zu delegieren – an jemanden aus dem Gemeinderat, der oder die sich mit der Materie ernsthaft beschäftigen möchte: „Es gibt dazu zahlreiche Fortbildungen und Veranstaltungen“, sagt er. Dafür sollte man freigespielt sein.  

Was ein Blackout bedeutet

  • 30 Stunden. Im Falle eines größeren Blackouts könnte es bis zu 30 Stunden dauern, bis es wieder Strom gibt. Und es könnte Wochen dauern, bis sich die Lage für die Bevölkerung wieder stabilisiert.
  • Eigenvorsorge. Es braucht Notstromaggregate sowie Vorräte von Wasser und Lebensmitteln – auch solche für Menschen, die auf eine spezielle Ernährung angewiesen sind.
  • Gesundheitsversorgung. Alte und Kranke sind oft auf medizinische Geräte angewiesen. Es muss sichergestellt sein, dass diese funktionieren, auch außerhalb von Spitälern.