In Großsteinbach lernen schon Kleinkinder den vernünftigen Umgang mit neuen Technologien
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REPORT

Wo Kinder lernen zu wissen, was sie wirklich wollen

Die kleine oststeirische Gemeinde Großsteinbach hat den vielleicht innovativsten Kindergarten des Landes. Hier lernen die Knirpse nicht nur, wie man einen Roboter programmiert. Gleichzeitig üben sie dabei auch viele andere Fertigkeiten, auf die es in Zukunft ankommen wird. Dazu gehört auch der weltoffene Umgang mit anderen Kulturen.
von  Wolfgang Rössler , 24. März 2025

Die Sophiensäle in Wien-Landstraße gehören – neben der Hofburg – zu den ganz besonderen Prunkräumlichkeiten der Republik. Hier finden Veranstaltungen statt, die dem politischen und gesellschaftlichen Alltags-geschäft enthoben sind. Etwa die Verleihung des -Europa-
Staatspreises in der Kategorie „Europa in der Gemeinde“.

Dieser ging vor zwei Jahren an die Gemeinde Großsteinbach in der Steiermark. Das „Groß“ im Namen täuscht ein wenig. Tatsächlich hat die Kommune im Bezirk Hartberg-Fürstenfeld gerade einmal 1.303 Einwohnerinnen und Einwohner. Es gibt in Großsteinbach einen beliebten Badesee und eine Wiese, auf der im Frühling die besonders seltene Schachblume wächst. Dass eine der höchsten Auszeichnungen des Landes an die kleine Gemeinde vergeben wurde, hat aber einen ganz anderen Grund. Denn in Großsteinbach steht seit ein paar Jahren der vielleicht innovativste Kindergarten Österreichs, der den europäischen Gedanken mit raffinierten Zugängen zu neuen Technologien verbindet. Hier lernen schon die Kleinsten, wie Robotik funktioniert. In der Volks- und Mittelschule wird dieses Wissen dann weiter vertieft. „Als ich von dem Konzept gehört habe, war ich sofort mit Feuer und Flamme dabei“, sagt Bürgermeister Manfred Voit, der auch bei der Preisverleihung in Wien anwesend war.

Zur Person

Bürgermeister Manfred Voit: "Es hat sich für uns ein wenig wie eine Oscar-Verleihung
angefühlt."

Die Roboterbiene Beebot

Freilich: Voit gehört zu jenen Politikerinnen und Politikern, die ihre eigene Rolle nicht über Gebühr betonen möchten. Letztlich, meint er, habe er das ausgezeichnete Projekt durch seine Unterstützung nur ermöglicht. Das eigentliche Lob gebühre dem Großsteinbacher Gemeinderat Christian Groß und dessen Frau Diana, die das Konzept entwickelt und auf den Weg gebracht haben. Die beiden waren es auch, die den begehrten Preis von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der damaligen Verfassungsministerin Karoline Edtstadler entgegengenommen haben: „Es hat sich ein wenig wie eine Oscar-Verleihung angefühlt. Eine unglaubliche Ehre für eine kleine Gemeinde wie die unsere.“

Aber was genau macht das Projekt so besonders? Dafür muss man sich ein wenig mit Robotik auseinandersetzen. Das ist jene Technik, die hinter der Steuerung von Robotern steckt. Dazu gehört aber eben auch die Kunst zu wissen, was man will – und die Fähigkeit, dies eindeutig zum Ausdruck zu bringen. Die Knirpse im Kindergarten von Großsteinbach lernen nicht nur die Grundlagen einer in unser aller Alltagsleben längst elementaren Technik. Sie üben gleichzeitig, sich so deutlich zu artikulieren, dass es keine Missverständnisse geben kann. „Es ist auch ein ausgezeichnetes Sprachtraining“, sagt Gemeinderat Christian Groß, der im Zivilberuf Technik und Design an der Pädagogischen Hochschule Augustinum lehrt.

Am einfachsten lässt sich das am Beebot erklären, der für Vorschulkinder konzipiert wurde und unter anderem im Kindergarten von Großsteinbach zum Einsatz kommt. Dabei handelt es sich um einen Roboter in Form einer Biene, der sich mit einigen wenigen Tasten steuern lässt. Schon Vierjährige sind in der Lage, einfach Tastenkombinationen auszuführen, damit Beebot kleine Kunststücke vollführt. Vorausgesetzt, sie setzen sich zuvor mit dem Grundprinzip auseinander. „Man muss sich überlegen, wie man dort hinkommt, wo man hinwill“, sagt Groß.

In Großsteinbach lernen schon die Kleinsten den Umgang mit der neuen Technik.

Programmieren ohne Code

An das im Kindergarten bereits Gelernte wird in der örtlichen Volksschule nahtlos angeknüpft. Hier kommen schon komplexere Plattformen in Form von Legotechnik zum Einsatz. Die Schülerinnen und Schüler lernen, wie man programmiert – wenn auch in Form von bunten Bildern. Diese Fähigkeiten werden dann in der Mittelschule weiter ausgebaut.

Dieses besondere Angebot ist für die Schülerinnen und Schüler nicht verpflichtend. Trotzdem wird es gut angenommen – nicht nur von jenen, die ein besonderes Talent für Technik haben. Robotik spricht auch die Kreativität und das Bewusstsein für Sprache an. Und es macht Spaß, obwohl Groß den Ausdruck „spielerisch“ in diesem Zusammenhang nicht besonders gerne hört. Lieber spricht er von einem „niederschwelligen Zugang“. Die Technik, meint er, lade einfach zum Ausprobieren ein. Sie spreche die natürliche Neugier der Heranwachsenden an.

Was das Bildungskonzept der kleinen steirischen Gemeinde aber so besonders macht, ist nicht bloß der Fokus auf eine gefragte Schlüsseltechnik. Dahinter steckt auch eine Philosophie der Weltoffenheit. Die Pädagoginnen und Pädagogen werden im Rahmen eines Erasmus-Programms regelmäßig in andere EU-Länder geschickt, um sich in den dortigen Bildungseinrichtungen mit ganz neuen Zugängen auseinanderzusetzen. Umgekehrt waren vor einiger Zeit Lehrerinnen und Lehrer aus Griechenland zu Besuch. „Das war nicht nur für das Lehrpersonal, sondern auch für die Kinder eine tolle Erfahrung“, sagt Groß. „Man lernt immer voneinander.“ Möglich macht das ein Förderprogramm im Rahmen der Leader-Region Oststeirisches Kernland. Gut 80 Prozent der Kosten für das Austauschprogramm sowie für die technischen Anschaffungen werden von Erasmus und der EU übernommen. Das ist auch ein Beispiel dafür, wie viel in einer kleinen Gemeinde möglich ist. Was die Kinder an der Roboterbiene lernen, gilt auch in der Kommunalpolitik: Man muss eben  genau wissen, was man will.

Tablets als zweischneidiges Schwert

Dabei plädiert der Technikexperte Groß durchaus für einen achtsamen Umgang mit elektronischen Geräten, gerade bei Heranwachsenden – Stichwort Tablet und Handy. Es gibt Umfragen, wonach mehr als die Hälfte der Eltern ein mulmiges Gefühl haben, weil ihre Kinder zu viel an iPad und Co kleben und damit andere Aktivitäten wie Lesen oder Spielen vernachlässigen. „Es ist ein zweischneidiges Schwert“, sagt Groß. Die Kinder würden unweigerlich in Kontakt damit kommen. „Diese Geräte werden nicht verschwinden. Also muss man den Kindern zeigen, wie man damit sinnvoll und verantwortungsbewusst umgeht“, sagt er. Und dabei würden die Bildungseinrichtungen durchaus eine wichtige Rolle spielen. Auch um zu verhindern, dass Kulturtechniken wie Lesen oder Schreiben mit der Hand vernachlässigt werden. „In der Pädagogik ist das Bewusstsein dazu auf jeden Fall vorhanden“, sagt Groß.

Tablets sind auf jeden Fall ein zweischneidiges Schwert.

Christian Groß

Mehr Verantwortung für Gemeinden

Was die pädagogischen Konzepte von Kindergärten und Schulen betrifft, hat es in den letzten Jahrzehnten enorme Fortschritte gegeben. Auch weil Kinder heute dort viel mehr Zeit -verbringen. Es geht nicht mehr bloß um Betreuung und Wissensvermittlung. Das Personal übernimmt immer mehr erzieherische Aufgaben, die früher den Eltern zugefallen sind.

Es gibt kaum noch Familien, in denen nicht beide Elternteile berufstätig sind  – von den Alleinerziehenden ganz zu schweigen. Da fehlt die Zeit und oft auch die Energie, sich mit dem Nachwuchs jeden Tag intensiv zu beschäftigen. Ein großer Teil der Erziehungsarbeit wird heute in öffentlichen oder privaten Einrichtungen geleistet: ob das der Umgang mit Aggressionen und Frust, Manieren bei Tisch oder das soziale Verhalten sind. Oder auch der Umgang mit der für viele Kinder durchaus nicht erfreulichen Tatsache, dass man nicht jeden Tag Würstel, Pizza oder Spaghetti essen kann und dass man bei Durst nicht selbstverständlich nach einem Softdrink greift. Die Verantwortung der Allgemeinheit als Trägerin von Kindergärten und Schulen ist massiv gestiegen. Und das ist nicht zuletzt für kleinere Gemeinden eine enorme Herausforderung.

Die Gemeinde Großsteinbach zeigt aber auch – beispielhaft für viele andere, wie man sich diesen neuen Aufgaben mit Tatkraft und Offenheit stellen kann. Denn, um es mit den Worten von Bürgermeister Voit zu sagen: „Es geht um die Zukunft. Und das sind unsere Kinder.“

So lernen Kinder den Umgang mit Tablet & Co

  • Regeln festlegen. Es muss klare Spielregeln geben, wann und wie lange Tablet oder Handy verwendet werden dürfen. Die Kinder müssen genau wissen, welche Apps erlaubt sind.
  • Vorbild sein. Kinder orientieren sich an den Erwachsenen.
  • Wer selbst dauernd am Handy klebt, hat einfach weniger Autorität.
  • Lerninhalte. Viele Apps vermitteln Kindern auf spielerische Weise Bildung und Lerninhalte. Diese sollte man den Kindern schmackhaft machen.
  • Kommunikation. Im besten Fall sind Erwachsene dabei, wenn Kinder
  • die Geräte verwenden. Auf jeden Fall sollten sie genau wissen, welche Apps
  • die Kleinen nützen, und mit ihnen regelmäßig darüber reden.