Gemeinsam kommt man weiter. Das gilt auch für Gemeindechefs
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KOOPERATION

Das Zauberwort lautet Vertrauen

Die beiden kleinen Vorarlberger Gemeinden Dünserberg und Düns teilen sich neben vielen anderen Aufgaben seit einiger Zeit auch den Winterdienst. Dabei geht es nicht nur darum, Kosten zu sparen. Beide Orte bündeln die Kräfte, weil sie um ihre Daseinsberechtigung kämpfen.
von  Wolfgang Rössler , 10. Juli 2024

Als Walter Rauch 1985 erstmals zum Gemeindeoberhaupt der Vorarlberger Kleinstgemeinde Dünserberg gewählt wurde, galt das AKW Tschernobyl noch als sowjetisches Vorzeigeprojekt. Falco eroberte mit „Rock me Amadeus“ die Hitparaden in den USA, wo Ronald Reagan im Weißen Haus das Sagen hatte. Der spätere österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz war zu der Zeit noch nicht einmal geboren.

Der damals blutjunge neue Bürgermeister fand in seinem Büro ein Festnetztelefon, eine Schreibmaschine und einen Rechenschieber vor. „Eine verstaubte Amtsstube war das“, erinnert er sich heute. Trotzdem verbrachte er den überwiegenden Teil des Tages hinter dem Schreibtisch, nur selten kam er unter die Leute. Heute ist das umgekehrt. „Zwei Drittel meiner Arbeitszeit bin ich auswärts unterwegs“, sagt der Langzeitbürgermeister – in seiner eigenen Gemeinde, aber auch im Umland. Rauch ist ein begnadeter Netzwerker, der im Walgau Gott und die Welt kennt – insbesondere seine Amtskolleginnen und Amtskollegen. Der Bürgermeister von Dünserberg besitzt eine ganz besondere, sanfte Autorität, die ihm hilft, Kooperationen über die Gemeindegrenzen hinweg zu schmieden. Etwa beim Winterdienst.

Seit zwei Jahren teilt sich Dünserberg mit dem angrenzenden Düns unter anderem die Schneeräumung in der kalten Jahreszeit. Die beiden kleinen Kommunen haben ihre Bauhöfe zusammengelegt, gemeinsam verfügen sie über zwei starke Traktoren, einen Radlader, Schneefräsen und Sandstreuer. Gemeinsam kann man sich mehr Geräte leisten – und bessere.

Zur Person

Walter Rauch ist seit 1985 Bürgermeister von Dünserberg.

Unkonventionell, aber bewährt

Wenn sich heftiger Schneefall ankündigt, werden die Einsatzpläne für das gesamte Gebiet der zwei Gemeinden erstellt. Koordiniert wird das von einem Mitarbeiter, der nur halbtags bei der Gemeinde Dünserberg angestellt ist und nebenbei ein selbstständiges Unternehmen führt. Er steuert bei Bedarf auch zusätzliche Trägerfahrzeuge bei. Die Lösung klingt unkonventionell, aber sie hat sich bewährt. „So können wir besonders effizient und personalressourcenschonend arbeiten“, sagt Rauch.

Denn die Herausforderungen in der kalten Zeit sind nicht ohne. Das knapp 1.400 Meter über dem Meeresspiegel gelegene Dünserberg mag mit seinen 154 Einwohnerinnen und Einwohnern winzig sein. Aber das Gemeindegebiet ist weitläufig und umfasst zahlreiche Siedlungen. Im Winter müssen immerhin 14 Kilometer Straße geräumt werden. Ähnlich verhält es sich im Nachbarort Düns.

Land unterstützt die Zusammenarbeit

Egal wie stark es schneit: Spätestens um fünf Uhr früh müssen die Straßen geräumt sein. Denn schon eine halbe Stunde später fährt der Schulbus, der die meisten Kinder abholt. Und bald darauf beginnt der Pendlerverkehr. Alleine könnte eine Gemeinde das kaum stemmen. Gemeinsam lässt es sich bewerkstelligen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Landesregierung Gemeindekooperationen großzügig unterstützt – auch finanziell. Einzige Voraussetzung: Wenn eine Förderung für mehrere Gemeinden gewährt wird, darf in den folgenden zehn Jahren keine davon ausscheren. Sonst muss die Subvention zurückgezahlt werden. Aber das sei eine sehr vernünftige Regelung, meint Rauch. Schließlich sei so sichergestellt, dass man es mit der Zusammenarbeit auch ernst meint. Und dass diese auch nach einem Wechsel an der Spitze des Gemeindeamtes nicht einfach verworfen werden kann.

 

Die kleine Gemeinde Dünserberg

Chance für Kleinstgemeinden

Vorarlberg und insbesondere die Region Walgau, zu der Dünserberg gehört, gilt bei Gemeinde-kooperationen als vorbildlich. Das mag an der Kleinheit des Bundeslandes liegen, auch an der Kleinstrukturiertheit vieler Gemeinden. Im Ländle macht man aus der Not eine Tugend. „Ich empfinde das jedenfalls als Privileg“, sagt Rauch. Denn wie in anderen Bundesländern kommt auch in Vorarlberg immer wieder die Frage auf: Sollte man winzig kleine Gemeinden wie Dünserberg und Düns nicht fusionieren, um Kosten zu sparen? Braucht es wirklich eine eigene Verwaltungseinheit für Ortschaften mit weniger als 200 Einwohnerinnen und Einwohnern?

Eine Frage der Identität

Rauch kann die Fragestellung durchaus nachvollziehen. Wenn sich zwei Gemeinden nach reiflicher Überlegung zur Fusion entscheiden würden, sei dagegen nichts einzuwenden, meint er. Bloß dürfe das nicht von oben herab verordnet werden. Denn eine Gemeinde sei viel mehr als Verwaltung und Infrastruktur. Da gehe es auch um dörfliches Ehrenamt, um Selbstwahrnehmung und Identität. Als es vor einigen Jahren Überlegungen gab, Dünserberg mit der Nachbargemeinde zusammenzulegen, traf sich Rauch mit den Feuerwehrleuten im Ort. „Von knapp 30 Männern haben 20 klargestellt, dass sie dann nicht mehr dabei wären“, erzählt er.

Auch deshalb kämpft der Bürgermeister für die Eigenständigkeit seiner Gemeinde – indem er gezielt nach Synergien mit den benachbarten Orten sucht.

Personal wird gegenseitig verliehen

Neben dem Mitarbeiter, der die Schneeräumung in den beiden Gemeinden organisiert, tauschen Dünserberg und Düns auch weitere Arbeitskräfte. Je nach Bedarf wird das Personal an die Nachbarschaft verliehen – zum Selbstkostenpreis. Bei Neuanstellung gibt es entsprechende Regelungen im Dienstvertrag. Rauch könnte sich auch eine weitergehende Verschränkung des Personals gut vorstellen. „Wir prüfen laufend, wie man hier bestmöglich kooperieren kann“, sagt er. Derzeit gebe es dabei aber kaum überwindbare steuerrechtliche Hürden. „Es wäre wünschenswert, wenn die Politik hier eine bessere Regelung finden würde“, sagt der Bürgermeister.

Am Ende müssen sich alle Gemeinden gegenseitig stärken.

Gemeindegröße spielt keine Rolle

Am Willen der Gemeinden zur Zusammenarbeit würde es jedenfalls nicht scheitern. „Bei uns ist die Kultur der Kooperation stark verankert“, sagt er. „Ich kann mich an keinen einzigen Streit, an keine echte Unstimmigkeit erinnern.“ Die Parteizugehörigkeit der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister spiele ohnehin keine Rolle. Voraussetzung sei Augenhöhe: Es dürfe keinen Unterschied machen, ob eine Gemeinde 150 oder 6.000 Einwohnerinnen und Einwohner habe. „Am Ende müssen sich alle gegenseitig stärken.“ Und das lasse sich am besten garantieren, wenn Kooperationen nicht leichtfertig geschlossen werden – und möglichst nicht, weil es gerade brennt und schnell eine Lösung auf den Tisch muss. Am Ende zähle aber immer das Zwischenmenschliche, sagt Rauch aus Erfahrung: „Das Zauberwort lautet Vertrauen.“

Wo Gemeinde-Kooperationen sinnvoll sind

  • Bauhof. Gerade wenn es um die Anschaffung teurer Gerätschaften geht, lohnt sich der Zusammenschluss mit anderen Gemeinden – insbesondere auch bei Maschinen zur Schneeräumung.
  • Buchhaltung. Immer beliebter werden Kooperation bei der Buchhaltung, gerade für kleine Gemeinden mit überschaubarem Verwaltungsaufwand.
  • IT. Häufig teilen sich Nachbargemeinden auch EDV-Systeme und IT-Unterstützung. Mitunter gibt es auch gemeinsame Gemeinde-Websites.
  • Personal. Es spricht wenig dagegen, auch Arbeitskräfte gegenseitig zu verleihen. Idealerweise ist das bereits über den Dienstvertrag geregelt.